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Blindtests

Als Blindtest bezeichnet man einen menschlichen Hörvergleich, bei dem man versucht, die Wahrnehmungen der Probanden ausschließlich auf die akustischen Eindrücke zu reduzieren und alle anderen die Wahrnehmung potenziell beeinflussenden Faktoren auszublenden.

Warum Hörvergleiche so schwierig sind

In Audiozeitschriften und im Gespräch mit Freunden und Kollegen wird meist der Eindruck vermittelt, Zufriedenheit mit der Tonwiedergabe hinge vor allem von den gekauften Komponenten ab. Wer nur seine Komponenten sorgfältig auswählt und möglichst viel Geld dafür ausgibt, wird im Hifi-Himmel landen und fortan nur noch mit einem fetten Grinsen im Gesicht den zauberhaften Klängen lauschen.

Faktisch ist es aber ganz anders. Unsere Zufriedenheit mit dem Klang, unser Wohlbefinden beim Hören von Musik, die Freude beim Konsumieren eines Films ist von einer ganzen Vielzahl von Faktoren abhängig, und die Schallwellen, die die Anlage erzeugt, sind nur ein Teil davon.

Persönliche Faktoren

Es gibt wohl nur einen Sinn, der ähnlich komplex ist wie das Hören, und das ist das Schmecken. Jeder kennt das Phänomen, dass jemand beim Probieren eines Weines im Urlaub in völlige Verzückung gerät und im Rausch gleich den ganzen Kofferraum damit vollpackt. Zuhause angekommen stellt sich schnell Ernüchterung ein. Ist das wirklich noch der gleiche Wein? Ähnlich geht es auch mit anderen Lebensmitteln, die Oliven, die einem in Spanien in der Taverne am Meer fantastisch munden, sind an einem regnerischen Novembertag in Pusemuckel plötzlich nur noch fade.

Unser Geschmackssinn wird eben nicht nur von dem Lebensmittel beeinflusst, sondern ganz maßgeblich auch von unserer Stimmung (Entspanntheit, Sorglosigkeit, …), vom Licht, von Gerüchen, von der Temperatur und vielem anderen mehr.

Beim Hören ist es nicht anders. Es gibt zahlreiche Faktoren, die auf unseren Höreindruck einwirken, und die Schallwellen, die unser Ohr erreichen, sind nur einer davon (natürlich aber zweifellos ein sehr wichtiger). Die wichtigsten anderen Faktoren sind

  • Persönliche Stimmung: Müdigkeit, Unternehmungslust, Hunger, Durst, Wärme, Zufriedenheit mit dem Tag, Streit mit dem Partner, Wetter, Lufttemperatur, Licht usw. bestimmen maßgeblich, wie wir Klang wahrnehmen.
  • Erwartungshaltung: Allein der Anblick eines edlen Verstärkers, eines aufwändig gearbeiteten Kabels, einer vollmundigen Ankündigung des Verkäufers („So, jetzt hören Sie sich aber mal das hier an!“), das Image einer exklusiven Marke, die Lobhudelei eines gelesenen Testberichts, die Begeisterung eines Bekannten auf einer Party oder auch nur das Wissen um den Preis einer Komponente lassen einen erwarten, etwas besonderes zu hören. Und diese Erwartungshaltung sehen wir in aller Regel bestätigt (siehe Bestätigungsfehler), solange kein besonders krasses Missverhältnis auftritt.
  • Zufall: Unser Hörempfinden ändert sich auch einfach rein zufällig. „panta rhei“ - du steigst nicht zwei mal in denselben Fluss.

Akustische Rahmenbedingungen

Hinzu kommen noch Faktoren, die den Klang tatsächlich beeinflussen, aber nicht Teil der Hifi-Anlage sind:

  • Wiedergegebenes Tonmaterial: Was sich bei dem einen Lied fantastisch anhört, ist beim nächsten vielleicht nur noch lau.
  • Raum und Aufstellung: Der Raum und die in ihm stehenden Gegenstände beeinflussen den Klang weitaus mehr, als die meisten Menschen annehmen.
  • Lautstärke: Schon geringe Lautstärkeunterschiede von nur 0,2 dB, die wir nicht bewusst als solche wahrnehmen, können zu einer anderen Klangbeurteilung führen. Die jeweils lautere Wiedergabe wird daher oft nicht als lauter eingestuft, sondern als dynamischer, klarer und konturierter. Es ist ein bekannter Verkäufertrick, beim Vergleichshören einfach den teureren Verstärker, CD-Spieler, DAC etc. ein winziges bisschen lauter zu stellen.
  • Hörposition: Auch unsere Hörposition beeinflusst den Klang erheblich. Schon Veränderungen der Kopfposition von 10 cm können einen unterscheidbaren Klangunterschied ausmachen.

Gleichzeitiges Hören geht nicht

Eine weitere große Hürde entspringt der Tatsache, dass man keine zwei Dinge gleichzeitig hören und dennoch unterscheiden kann. Zwei Bilder kann man in etwa gleichzeitig sehen, zwei Temperaturen gleichzeitig fühlen, zwei Oberflächen gleichzeitig ertasten usw. Beim Hören sind wir darauf angewiesen, beide Wiedergaben nacheinander / abwechselnd zu hören. Unser akustisches Gedächtnis ist dabei relativ schwach, den akustischen Sinneseindruck kann man nur für Sekunden vollständig behalten, danach beginnt er zu verblassen; als Hilfsmittel kann man sich nur bestimmte Teile der Wiedergabe vergegenwärtigen (zum Beispiel Zischlaute oder die Position/Breite von Phantomschallquellen) und einprägen.

In der Praxis benötigt man daher einen sehr schnellen Wechsel zwischen den Hörproben, um wirkliche Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Der ist mitunter gar nicht so einfach zu realisieren, denn das manuelle Umstecken von Komponenten erfordert Zeit; Umschalter sind nicht immer verfügbar.

Wenn in einem Blindtest keine Unterschiede gehört wurden, heißt es, dass es keine gibt?

Nicht zwangsläufig. Ihre wissenschaftliche Relevanz wird in der Forschung kaum bezweifelt; dennoch gibt es unter Hifi-Konsumenten Kritiker, die Blindtests ablehnen oder für falsch halten.

Als Gründe dafür werden angeführt:

  • Die Testsituation verursache Stress beim Probanden, sodass er nicht mehr in der Lage sei, vorhandene Unterschiede zu erkennen.
  • Die Unterschiede sind zu subtil, um auf die Bewusstseinsebene vorzudringen; dennoch würden sie unterbewusst wahrgenommen und zu unterschiedlich viel Zufriedenheit, Entspannung, Begeisterung etc. beim Hören führen.

Diese Möglichkeiten sind nicht völlig von der Hand zu weisen. Allerdings stellt sich dann die Frage, woran sonst man Klangunterschiede erkennen will. Die Zufriedenheit ist, wie oben bereits dargelegt, von anderen Faktoren viel mehr abhängig als vom Klang, und Unterschiede, derer man sich nicht bewusst werden kann, taugen nicht als Entscheidungshilfe beim Kauf von Hifi-Komponenten.

Sorgfältig durchgeführte Blindtests sind daher aus wissenschaftlicher Sicht die einzige Möglichkeit, Klangunterschiede und deren Hörbarkeit empirisch zu beweisen, und jeder Käufer von Hifi-Produkten tut gut daran, seine eigene Wahrnehmung auf der Grundlage von Blindtest-Ergebnissen selbstkritisch zu überprüfen, denn niemand ist frei davon, sich von den oben beschriebenen Rahmenbedingungen beeinflussen zu lassen.

Durchführung von Blindtests

Blindtests erfordern, wenn sie aussagekräftig sein sollen, eine große Sorgfalt bei der Durchführung. Für die meisten Gelegenheitskäufer sind sie kaum durchführbar, weil sie einiges an Aufwand erfordern. Ohne die erforderliche Sorgfalt aber sind die Ergebnisse nicht verwertbar. Man tut aber gut daran, sich an den Ergebnissen von sorgfältig durchgeführten Blindtests zu orientieren. Das Wissen zum Beispiel, dass regelmäßig in Blindtests viele tausend Euro teure DAC oder Verstärker nicht anders klangen als Einsteigergeräte oder gar billige Chinaprodukte, sollte einem zu denken geben, bevor man sich von Audiozeitschriften oder Verkäufern alle möglichen Wunderwirkungen der Edelprodukte einreden lässt.

Wer dennoch einen Blindtest selbst durchführen will, sollte folgendes Tipps beherzigen:

  1. Unbedingt mindestens zu zweit durchführen. Zum einen, weil man in aller Regel eine Person als Umschalter braucht (sofern das kein Computer mit Zufallsgenerator übernehmen kann), zum anderen, damit man gegenseitig kontrollieren kann, ob man alles richtig ein- und aufgestellt hat und keine Fehler in der Durchführung begeht.
  2. Die andere Person darf entweder selbst nicht wissen, auf welches Gerät sie gerade wechselt (so genannter Doppelblindtest), oder es muss jede Kommunikationsmöglichkeit unterbunden werden. Schon ein kaum wahrnehmbarer Gesichtsausdruck oder bestimmte Körperbewegungen können den Probanden beeinflussen.
  3. Aufstellung und Hörposition während des Tests nicht verändern.
  4. Lautstärke abgleichen: Da geht keinesfalls nach Gehör! Man benötigt unbedingt ein Pegelmessgerät (umstritten ist, ob Pegelmess-Apps für Smartphones ausreichende Genauigkeit bieten). Beide Vergleichskomponenten müssen exakt die gleiche Lautstärke produzieren (in wissenschaftlichen Blindtests wird ein Unterschied < 0,1 dB gefordert). Der Pegel sollte möglichst mit Rosa Rauschen gemessen werden (Audiofiles kann man reichlich im Internet finden).
  5. Umschalter verwenden: Wie oben bereits dargelegt, lassen sich feine Unterschiede nur mit sehr geringem zeitlichen Verzug ausmachen. Das manuelle Umstecken erfordert oft zu viel Zeit.
  6. Man darf am Vorgang des Umschaltens (Geräusche, Bewegungen des Helfers, …) nicht erkennen oder erahnen können, worauf gerade umgeschaltet wird. Der Umschalter sollte daher über eine neutrale Stellung verfügen (⇒ immer zwei Umschaltgeräusche, auch wenn die Hörprobe gar nicht gewechselt wird).
  7. Sicherstellen, dass sich beim Umschalten nur die zu vergleichende Komponente ändert. Leicht wird übersehen, dass sich beim Umschalten gleichzeitig noch andere Faktoren ändern, beispielsweise ein automatisch zugeschaltetes Surroundprogramm beim Quellenwechsel im AVR.
  8. Alle Klangveränderer ausschalten (Klangregler, Loudness-Taste, DSP, …), sofern man diese nicht mittesten will.
  9. Genau protokollieren - was wurde in welcher Runde eingestellt, was wurde vom Probanden erkannt. Auch den genauen Testaufbau festhalten (zum Beispiel durch Fotos).
  10. Vernünftiges Tonmaterial auswählen - insbesondere die meist stark dynamikkomprimierte heutige Rock- und Popmusik (siehe Loudness War) lässt Unterschiede oft kaum zutage treten.

Methodik

Grundsätzlich benötigt ein Blindtest eine ausreichende Zahl von Durchgängen. Bei einem einzigen Durchgang weiß man nicht, ob ein Ergebnis nicht zufällig richtig oder falsch geraten wurde. Erst, wenn sich das Ergebnis in einer ausreichenden Vielzahl von Durchläufen wiederholen lässt, kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass es nicht zufällig geraten, sondern tatsächlich wahrgenommen wurde. (Zur Zahl der erforderlichen Treffer siehe ABX test)

Es empfiehlt sich, mindestens 10 Runden durchzuführen, besser mehr. Je mehr Runden, desto größer die statistische Sicherheit. Bei zu vielen Runden besteht jedoch die Gefahr der Ermüdung des Probanden; mehr als 15 Runden sollten daher nur mit ausreichend langen Pausen dazwischen durchgeführt werden.

Zum Verfahren in jeder Runde gibt es mehrere Möglichkeiten. Am verbreitetsten ist der ABX-Test: Hierzu wird erst die eine Hörprobe gespielt (A), dann die andere Hörprobe (B) und anschließend zufällig eine beliebige von den beiden wiederholt (X). Der Proband muss entscheiden, ob es sich um A oder B handelt. Er darf dabei nicht wissen, was A oder B ist, und A und B sollten von Runde zu Runde ebenso zufällig gewechselt werden (oder eben nicht) wie X.

Andere Varianten sind unter anderem der AXY-Test (Erst wird immer A vorgespielt, dann X und Y, entsprechend A und B in zufälliger Reihenfolge, der Proband muss raten, ob X oder Y A entsprach) oder das vielfache Wiederholen derselben Hörprobe, in das an zufälliger Stelle genau einmal die andere Hörprobe gemischt wird; der Proband muss sagen, an welcher Stelle das passiert ist.

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